Die Lebenshilfe stellt ihre Arbeit regelmäßig in der Öffentlichkeit vor. Beim Tag des Unternehmens hat die Vereinigung einen eigenen Stand, an dem sich Besucher über die Angebote informieren konnten. Foto: Lebenshilfe LOS

 

Sonderveröffentlichung "30 Jahre Lebenshilfe LOS e.V."

Märkischer Markt, 21./22.Oktober 2020

Lebenshilfe e.V. Oder Spree blickt auf spannende und erfolgreiche Zeit zurück / Bundesteilhabegesetz brint neue Herausforderungen

Eisenhüttenstadt. Das Jahr 1990 war für alle Menschen in der Region ereignisreich. Der Fall der Mauer am 09.11.1989 war Auslöser für ein Umdenken in den festgefahrenen Strukturen. Viele Familien mussten sich in dieser Zeit neu orientierten, manche von ihnen wagten den Aufbruch. Andere wiederum wollten das Ganze aussitzen. Menschen mit geistiger Behinderung gehörten zu denjenigen, die niemand sah oder sehen wollte. In der DDR lebten sie in einer abgesonderten Parallelwelt, und das war für die breite Mehrheit völlig normal. Sigrid Wiedenhaupt wollte das ändern. Sie war in den Umbruchszeiten Leiterin der rehabilitationspädagogischen Tagesstätte und gab den Anstoß, in Eisenhüttenstadt eine Ortsvereinigung der Lebenshilfe nach den Grundsätzen der Bundesvereinigung zu gründen. Eltern von behinderten Menschen fanden dafür zueinander. Für die Realisierung dieser anspruchsvollen Aufgaben war der Verein auf die Unterstützung unter anderem vom Landesvorstand der Lebenshilfe Brandenburg, der Lebenshilfe Bundesvereinigung, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband und der Lebenshilfe Saarlouis angewiesen. Eine Mammutaufgabe war zu bewerkstelligen und mit viel Mut, ehrenamtlicher Arbeit und zwei ABM Kräften ging es ans Werk. Die Übernahme der Werkstatt für Behinderte und der Trägerschaft des Kinderpflegeheims waren eine große Verantwortung. In dem Pflegeheim, das sich im alten Krankenhaus von Fürstenberg befand, wurden bis 1990 schwerstbehinderte Kinder aus ganz Deutschland untergebracht. Ihr Leben war geprägt von großen Schlafsälen und Gemeinschaftswaschräumen, spartanischer Einrichtung und dem Fehlen jeglicher Rückzugsmöglichkeit und Privatsphäre. Die Einrichtung hatte den Charakter einer Massenbewahranstalt, gezeichnet von Langeweile, drangvoller Enge, Lärm und Aggression. Vor allem hier gab es beträchtliche Veränderungen. Der Verein hat viel Unterstützung seitens der Stadtväter, von Ämtern und Institutionen sowie von Persönlichkeiten und Wegbegleitern erfahren. Heidemarie Gauger hat als Wohnstättenleiterin das Werk von Frau Dr. Annemarie Nimmergut in Eisenhüttenstadt fortgeführt. Rainer Preuß war damals Geschäftsführer der Lebenshilfe Oder-Neiße Werkstätten e.V. und Wolfgang Pohl Vorstandsvorsitzender des Landesverbandes Brandenburg e.V.. Ohne ihr Engagement, ihre Visionen und ihren unerschütterlichen Optimismus wären geistig behinderte Menschen in der heutigen Gesellschaft nicht so gut integriert. Aus dem ehemaligen Kinderpflegeheim wurde die modern eingerichtete Wohnstätte "Vergißmeinnicht".

Die Lebenshilfe hat sich in den drei Jahrzehnten gut aufgestellt und deckt heute viele Bereiche des Lebens geistig behinderter Menschen ab. Zu ihren Angeboten gehören die Frühförder- und Beratungsstelle, der familienentlastenden Dienst, das ambulant betreute und das gemeinschaftliche Wohnen und der Pflegedienst. Darüber hinaus übernimmt der Verein Leistungen wie die Alltagsassistenz, die Schul-und Inklusionsbetreuung sowie die Organisation von Reisen und Freizeitaktivitäten. Nicht nur innerhalb des Stadtgebietes, sondern auch regional sind die Mitarbeiter der Lebenshilfe LOS e.V. im Einsatz. Ihr Ziel ist die gesellschaftliche Anerkennung von Menschen mit Behinderung. Die Vielgestaltigkeit des Lebens zu fördern, zu gestalten und zu begleiten ist Antrieb und Motivation zugleich. Damit alles läuft, sind rund 95 fest angestellte Mitarbeiter im Verein tätig. Auf die tatkräftige Unterstützung der ehrenamtlichen Helfer und Mitglieder ist der Verein ebenfalls angewiesen. Ohne Sie wären zum Beispiel die Urlaubsfahrten personell nicht abzudecken. "Ein großes Dankeschön an dieser Stelle allen Einsatzkräften“, sagt die Geschäftsführerin Katrin Plink. Mit der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes steht der Verein wiederholt vor großen Aufgaben im Bereich des gemeinschaftlichen Wohnens. Waren es 1990 die großen Schlafsäle, welche aufgelöst wurden, so geben die gesetzlichen Vorschriften heute vor, dass jedem Behinderten sein persönlicher Wohnraum in ausreichender Größe zusteht. Die zehn Doppelzimmer in der Wohnstätte "Vergißmeinnicht" entsprechen nicht mehr den aktuellen Gesetzesvorgaben, so dass in nächster Zeit Um- und Ausbaumaßnahmen erforderlich sind.
Auf den Verein kommt dadurch eine hohe finanzielle Belastung zu. „Innerhalb der nächsten fünf Jahre möchten wir die Umgestaltung im gemeinschaftlichen Wohnen abschließen, eine Tagesbetreuung für Rentner mit geistiger Behinderung aufbauen, das Einzelwohnen mehr in den Fokus rücken und die Zukunft für unsere Wohnstätten absichern“, erläutert Katrin Plink. „Wir hoffen und wünschen uns, dass die Lebenshilfe in Eisenhüttenstadt weiterhin lange besteht. Dass unsere Arbeit wohlwollend unterstützt und Vorbehalte gegenüber behinderten Menschen in unserer Gesellschaft weiterhin abgebaut werden" ergänzt sie mit Blick auf die Zukunft des Vereins. 

Asta Junghardt, die stellvertretende Vorstandsvorsitzende und Mitglied der ersten Stunde, betont in ihrem Resümee die stetige Entwicklung der Lebenshilfe in Eisenhüttenstadt: „Bei einer Ehe, feiert man nach 30 Jahren die Perlenhochzeit. Unser Jubiläum ist mit der Bedeutung dieses Ereignisses vergleichbar. Jedes Jahr für sich hat uns geformt, in vielerlei Hinsicht gestärkt, aber auch Kanten abgeschliffen. Die zurückliegenden Jahre, mit ihren Höhen und Tiefen sind für den Verein wegweisend gewesen. Wir sind gewachsen, haben Verantwortung gegenüber unseren Klienten und Bewohnern, Angestellten und Mitgliedern und sind ein fester Bestandteil in ihrem Leben. Kostbar und nicht so leicht zu brechen, wie eine Perle.“ pm/stt