MOZ, 09.Mai 1994
„4. Tag der Begegnung“ zwischen Behinderten und Nichtbehinderten
Eintrittsgeld und Spenden kommen in den Fond für Behinderte
Eisenhüttenstadt. "1990 wurde der Tag der Begegung vom Behindertenbeirat ins Leben gerufen und ist nun schon eine gute Gepflogenheit", findet Andrea Peisker, Behindertenbeauftragte der Stadt Eisenhüttenstadt. „Neu ist allerdings. daß der Behindertenbeirat zusammen mit der AOK und dem EFC Stahl diesen Tag mit großem Aufwand organisiert hat.“ Der Erlös aus Eintritlsgeldern und Spenden fließt in einen Fonds für Behinderte. 700 Mark kamen schon im Vorfeld an Spenden zusammen.
Der „4. Tag der Begegnung" zwischen Menschen mit und ohne Behinderung am Sonnabend auf dem Stahlplatz stand unter dem Motto: „Einander verstehen, miteinander leben". Klaus Grieger, Vorsitzender des Kreisverbandes der Behinderten, meint: „Wir Menschen müssen wieder zusammenfinden, ob nun mit oder ohne Behinderung. Von diesem Tag erhoffen wir uns, da8 ein Stückchen Intoleranz, die meist von Unwissenheit herrührt, überwunden wird.“
Abwechslungsreich war das Programm des Tages. Die rund 500 Besucher konnten den Chor der Eisenhüttenstädter Pestalozzi-Schule hören. „Es ist ergreifend, mit wieviel Freude und Engagement dort herangegangen wird“, so Friedrich Schmidt, Präsident des EFC-Stahl. Die Tanzgruppe des Gymnasiums II trat auf, die "Märkische Blasmusik“ spielte, Kinder konnten Ponyreiten, Büchsenwerfen u.v.a. Informieren konnten sich die Besucher beim Infomobil der AOK, beim Sanitätshaus Schimmel und der Orthopädie Schwoch. welche Heil- und Hilfsmittel herstellt. Bei „Humanitas“, dem jüngsten privaten Pflegedienst der Stadt, konnte man Blutdruck und Blutzuckerspiegel messen lassen. Brigitte Heine vertrat die AWO: „Die Leute wissen nicht viel über unser breites Angebot, u. a. haben wir nämlich auch eine Wohnstätte für Behinderte.“
Die Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung stellte u. a. den Familienentlastenden Dienst (FED) vor, für den noch Mitarbeiter gesucht werden. Wer sich zur Mithilfe entschließt, kann sich persönlich an den Verein Lebenshilfe in Eisenhüttenstadt, Gubener Straße 32. wenden, oder auch per Telefon unter 03364/7 l0 44. Außerdem hat die Lebenshilfe die Trägerschaft über das Wohnheim „Vergißmeinnicht“ am Wassertunn, über die Oder-Neiße-Werkstatt und über die Kita 7b, wo es auch Integrationsgruppen gibt, übernommen.
Ein Höhepunkt des Tages war das Fußballspiel zwischen der Landesauswahl Brandenburg der AOK und dem EFC Stahl, wobei letzter gewann.
Bei der Tombola konnten die Besucher des Begegnungstages mit etwas Glück einen der 50 Preise gewinnen. Der Hauptgewinn, eine Reise für zwei Personen an die Costa Brava, wurde noch nicht abgeholt. Wer die Nummer 002311 auf seiner Eintrittskarte hat, sollte sich die Reise sichern. Diese Angabe ist natürlich ohne Gewähr.
MANDY SPAN
MOZ, 12.Juni 1993
Lebenshilfe-Verband e.V. übernahm Kinderpflegeheim in Berliner Straße
Eisenhüttenstadt. "Lebenshilfe Wohnheim "Vergißmeinnicht"" steht seit Sonnabend neben der Tür des Kinderpflegeheimes in der Berliner Straße. Amtsleiterin Monika Teudt übergab im Auftrag von Oberbürgermeister Rainer Werner das Heim ofiziell an den "Lebenshilfe-Verband e.V.“ und dankte u.a. Heimleiterin Heidemarie Gauger für ihr nie erlahmendes Bemühen um einen freien Träger.
Welchem Anspruch will sich der neue Träger fortan stellen? Asta Junghardt, Vorsitzende des Eisenhüttenstädter Ortsverbandes der "Lebenshilfe e.V.“: „Wir wollen nichts anderes, als den Kindern hier ein Leben so normal wie möglich zu bieten. Sie sollen bald alle in Wohngruppen mit höchstens acht Kindern leben, in Wohneinheiten mit Zwei-Bett-Schlafzimmern, Tagesräumen, Küche und Bad, tagsüber in der Pestalozzi-Schule oder in der Kindertagesstätte 6b sein und am späten Nachmittag ins Wohnheim zurückkehren zu Pflegern und Betreuern. Das Heim soll ihr Zuhause sein, ihre Familie."
Ein bißchen so wie in Familie war es ja im Kinderheim am Wasserturm schon immer. Liebevoll pflegten und betreuten die Mitarbeiterinnen um Heidemarie Gauger ihre Schützlinge, gaben ihnen die Geborgenheit eines Zuhauses, taten ihr Bestes, um den Kindern Stück für Stück ein bißchen Lebenstüchtigkeit zu vermitteln. Dadurch, daß zu DDR-Zeiten die meisten der Kinder als „nicht förderrungsfähig" eingestuft waren; hielten sich Notwendigkeit und Möglichkeiten der Förderung in Grenzen. „Wir bekamen zwar schon damals Spenden und praktische Hilfe aus vielen Betrieben, ohne die wir längst nicht so viel für unsere Kinder hätten tun können“, schätzt Heidemarie Gauger ein, „aber es gab keine gesetzliche Verankerung der Rechte Behinderter. Nach derrWende bemühten wir uns intensiv um einen freien Träger. "Der Verband der Lebenshilfe hat uns schon vor der Übernahme viel unterstützt.“
So konnten voriges Jahr aus Fördermitteln in allen drei Gebäuden des Kinderheimes Ölheizungen eingebaut werden, behindertengerechte Bäder mit Sitzbadewannen und -duschen, mit Liften und anderem Zubehör gibt es nun, die Renovierung der Zimmer konnte vorgenommen werden.
"Es hat sich eine ganze Menge verändert", schätzen Ursel Klette, die seit zwölf Jahren im Heim arbeitet, und Sigrid Hoffmann übereinstimmend ein. „Die Arbeit mit den Kindern ist um vieles leichter geworden, vor allem in körperlicher Hinsicht. Es macht dadurch mehr und mehr Spaß.“ Das findet auch Zivildienstleistender Maik Pietzsch (22). gelernter Getreidefacharbeiter, der wie ein großer Bruder liebevoll Andreas füttert und sich nach seinem Zivildienst im Heim als Pfleger bewerben will.
Strömender Regen dämpfie die fröhliche Stimmung nur wenig, denn alle, die die Kinder schon kannten und die sie lieb haben. waren frohen Mutes dabei: Eltern und Angehörige kamen, die Erzieher spielten mit ihnen. hatten tollen Kuchen gebacken, die EKG-Feuerwehr lud zu Rundfahrten ein, ein Pony-Kremser war da, eine Modenschau fand statt, in die auch Kinder aus dem Heim einbezogen wurden.
„Wir sind sehr froh, dal3 unsere Stefi in diesem Kinderheim schon seit 198l ein so schönes Zuhause hat“, schätzen Doris und Horst Mielenz aus Frankfurt/Oder übereinstimmend ein. „Zumindest einer von uns hätte damals seine Arbeit aufgeben müssen, als Steffi geboren wurde. Und trotzdem hätten wir ihr zu Hause nicht die Betreuung und Förderung angedeihen lassen können, die sie hier im Heim hatte und hat. Dafür sind wir dem Heimkollektiv sehr dankbar und an jedem Wochenende hoIen wir unsere Tochter ab." Steffi drängelt, sie will heim mit den Eltern. Und doch kommt sie nach dem Wochenende gern in ihr zweites Zuhause, das Wohnheim mit dem symbolträchtigen Namen „Vergißmeinnicht“, zurück.
EVELYN REICH
Stadtspiegel, Februar 1993
Notizen aus einem Gespräch mit Frau Asta Junghardt, Vereinsvorsitzende.
Gegründet wurde der Verein am 27.10.1990 als ein Zusammenschluss von Eltern geistig behinderter Kinder, Freunden, Fachleuten und Förderern. Die Lebenshilfe e.V. ist Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband. Der Verein hat eine Beratungs- und Geschäftsstelle in der Gubener Straße 32, im Gebäude der Werkstatt für Behinderte, Tel. 71044
Sprechtag: Dienstag 9.00 bis 18.00 Uhr bzw. im Winter bis 16.00 Uhr
Frau Junghardt (selbst Mutter eines behinderten Kindes)
Wir als Eltern sehen unsere Aufgabe darin, die Forderungen, die das Wohl unserer Kinder betreffen, in der Öffentlichkeit bekanntzumachen, für bessere Lebensbedingungen der Betroffenen zu sorgen, sich für ihre Rechte einzusetzen und ihren Angehörigen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Ziel der Lebenshilfe ist das Wohl geistig behinderter Menschen und ihrer Familien. Sie bemüht sich, dass jeder geistig behinderte Mensch so normal wie möglich leben kann und dass ihm soviel Schutz und Hilfe zuteil wird, wie er für sich braucht. Zur Realisierung dieser anspruchsvollen Zielstellung liegt die Lösung zahlreicher Aufgaben vor uns.
Unterstützt wird der ehrenamtlich tätige Vorstand durch 2 ABM-Kräfte. Die Lebenshilfe e.V. Ortsvereinigung Eisenhüttenstadt ist 2 Jahre alt und steht erst am Anfang ihres Wirkens. In diesen Jahren haben wir aber bereits einiges bewirken können. Dazu gehören kostenlose Beratung und Rechtsbeistand für unsere Eltern mit behinderten Kindern durch die Rechtsanwältin Frau Henrich, genauso wie der Aufbau eines Vereinslebens mit gemütlichem Beisammensein, Weihnachtsfeiern, Disco-Veranstaltungen usw. 1991 gingen die Werkstatt für Behinderte und das Kinderpflegeheim in die Trägerschaft der Lebenshilfe über, was eine große Verantwortung und Herausforderung für uns darstellt.
Das Kinderpflegeheim wird zu einer, den bundesdeutschen Bedingungen entsprechenden, behinderten gerechte Wohnstätte umgebaut. Konzeptionelle Vorschläge zur Errichtung einer neuen Wohnstätte sind auch schon erarbeitet worden, dies ist auch notwendig, gibt die Realisierung dieses Vorhabens doch eine Antwort auf die bangen Fragen vieler Eltern, was mit ihrem Kind geschieht, wenn sie selbst einmal nicht mehr für ihr Kind sorgen können. Auch sollte jeder erwachsenen Behinderte die Möglichkeit erhalten, sich vom Elternhaus zu lösen eben wie andere Jugendliche auch. Dabei immer eim Auge behaltend, dass sie in größtmöglicher Gemeinschaft mit anderen Menschen leben können und nicht in Isolation.
Die Werkstatt für Behinderte ist eine anerkannte Werkstatt, was bedingt, dass die bei ihr beschäftigten Behinderten sozialversicherungpflichtig sind und damit ihre Alters- und Krankenversorgung gesichert ist. Mit den Werkstätten Guben und Frankfurt enstand der Oder-Neiße-Werkstättenverein, um die erforderliche Behindertenzahl von 120 Beschäftigten zu erreichen. Ein Neubau für die Werkstatt für Behinderte (WfB) ist ebenfalls geplant, dazu ist die Unterstützung der Kommune erforderlich, und auch die Bestätigung des Erbpachtvertrages für das Kinderpflegeheim muss endlich zum Abschluss gebracht werden, um die notwendigen Baumaßnahmen beginnen zu können.
In diesem Jahr beginnen wir, den familienentlastenden Dienst aufzubauen, das heißt einfach, den schwerbelastenden Familien Hilfe anzubieten. In Angriff genommen wird ebenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Verantwortlichen die Errichtung einer Frühförder- und Beratungsstelle für Eltern eines behinderten oder von Behinderung bedrohten Kleinkindes.
Wie Sie sehen, für einen so kleinen Verein (ca. 50 Mitglieder) ist es ein immenses Arbeitsvolumen, die Vorstandsmitglieder investieren viel Zeit und Mühe, tun es aber gern, dient es doch einem guten Zweck und vor allem unseren Kindern. Unterstützung ideeller und finanzieller Art erhielten wir u.a. von unserem Landesvorstand, der Bundesvereinigung der Lebenshilfe mit Sitz in Marburg, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband, der Lebenshilfe Saarlouis. Für die Geldspenden von Firmen wie Gäpkes & Partner, der Hamburg Mannheimer und für die vielen Sachspenden allen ein herzliches Dankeschön. Ebenfalls ein Dankeschön den Vertretern der Stadtverwaltung, wie auch dem OB, Herrn Müller, die immer ein offenes Ohr für uns hatten.
Wünschen möchte ich mir, dass unsere Bürger Vorbehalte abbauen und unsere Arbeit wohlwollend unterstützen, dass sich private Spender finden und kommunale Stellen uns helfen, die Probleme zum Wohle der Behinderten und ihrer Angehörigen zu lösen. Sollte es Menschen geben, die unser Arbeit interessiert oder die uns einfach bei der Arbeit mit Behinderten unterstützen wollen, dann können sie sich gern in der Beratungsstelle melden.